Vorberatung der Besitzeinweisung im Rahmen der Flurneuordnung - Einbringung der Feldflurstücke für eine Biotopvernetzungsplanung

Betreff
Vorberatung der Besitzeinweisung im Rahmen der Flurneuordnung - Einbringung der Feldflurstücke für eine Biotopvernetzungsplanung
Vorlage
2021/GR/073
Aktenzeichen
780.41:T
Art
Beschlussvorlage-GR

Sachverhalt:

 

Begriff Biotopverbund:

Die Zersiedelung der Landschaft macht es vielen Tieren – egal ob Insekten, Säugetiere, Fische oder Vögel – schwer, sich großräumig zu bewegen. Dies erschwert nicht nur ihr Überleben, weil es ihnen an Ausweich-, Nahrungs- und Rückzugsmöglichkeiten fehlt, sondern es besteht auch die Gefahr, dass es innerhalb der einzelnen Biotope zu einer genetisch schädlichen Inzucht kommt, weil ein Genomaustausch mit anderen Populationen nicht mehr möglich ist. Um dies zu verhindern, fordert das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in seinen §§ 20 und 21 zwischen Biotopen räumlich und funktional großräumige Verbindungen zu schaffen (= Biotopverbund). Ein Biotopverbund ist also viel weitläufiger als eine bloße Biotopvernetzung, denn eine solche bezieht sich ausschließlich auf die Verbesserung der Agrarstruktur in landwirtschaftlich geprägten Räumen und nie auf eine gesamte Gemarkung, geschweige denn darüber hinaus. Ziel des Biotopverbunds ist die dauerhafte Sicherung der Populationen wildlebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie die Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen. § 22 des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes (NatSchG) gibt in diesem Zusammenhang das Ziel vor, den Biotopverbund im Ländle bis zum Jahr 2030 auf mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, fördert das Land kommunale Planungen für einen Biotopverbund mit 90 % Zuschuss. Für die Gemeinden hat eine Biotopverbundplanung alternativ zu Fördergelder den Vorteil, dass naturschutzrechtlich notwendige Ausgleichmaßnahmen gezielter und fachlich sinnvoller gestaltet werden können, da diese in ein größeres Konzept eingebettet sind. Zudem bietet das Konzept eine bessere Planbarkeit für die künftige Gemeindeentwicklung. Die in der Biotopverbundplanung vorgesehenen Maßnahmen sind allerdings rein freiwillig; eine Verpflichtung zur Umsetzung besteht also nicht. Setzt eine Gemeinde eine Maßnahme tatsächlich um, kann sie hierfür aber bis zu 70 % Förderung erhalten; zudem kann der Eigenkostenanteil in Form von Ökopunkten dem gemeindlichen Ökokonto gutgeschrieben werden.

 

Mögliche Maßnahmen wären beispielsweise:

• die Pflege von artenreichem Grünland;

• die Neuanlage und Pflege von Kleingewässern, Streuobstwiesen, Hecken, Feldgehölzen, Saumbiotopen, Blühstreifen oder Blühflächen;

• die Sanierung von Trockenmauern.

 

Das Erstellen einer Biotopverbundplanung ist für die Gemeinde nicht nur sinnvoll, sondern mittelfristig auch für eine Gemeindeentwicklung unvermeidbar. Bereits in der Vergangenheit war die Gemeinde Böbingen verpflichtet, Eingriffe aufgrund Versiegelungen für neue Wohnbaugebiete und Gewerbegebiete, aber auch für Grün- und Sportanlagen (z.B. Park am alten Bahndamm, Bikerpark) auszugleichen. Der naturschutzrechtliche Ausgleich erfolgte in der Vergangenheit nicht aufgrund eines fertigen Landschaftsplanes (der viele Ideen bzw. Einzelmaßnahmen beinhaltet), sondern wurde auf gemeindeeigenen Flächen verwirklicht. Auch lag kein Ökokonto vor, auf welches die Gemeinde Böbingen in der Vergangenheit zurückgreifen konnte. Mit der Verwirklichung des Waldrefugiums konnte eine erste große Maßnahme für das gemeindliche Ökokonto verwirklicht werden. Es dient der Sicherung der von Alt - und Totholz bewohnenden Arten im Bereich des alten Waldes im Gewann Bruckholz. Mit dem Anlegen der Blühwiesen, vorwiegend im Ort konnte ein weiteres Projekt verwirklicht werden, wofür ebenfalls Ökopunkte gutgeschrieben werden.

 

Flurneuordnung:

Landesweit wurde im Verfahren Böbingen erstmals verfahrensbegleitend eine ökologische Ressourcenanalyse und Bewertung in der Flurneuordnung (ÖRA) durchgeführt. Die ÖRA ist ein Instrument, mit dem gleichzeitig die verschiedenen Ressourcen wie Boden, Gewässer, Flora, Fauna, Biotope, Landschaftselemente, Kleinstbiotope und Schutzgebiete standardisiert erhoben, bewertet und bilanziert werden können. Grundlage dafür waren neben vorhandenen Gutachten, Planungen und sonstigen gebietsbezogenen Grundlagendaten, die im Vorfeld erstellte Ökologische Voruntersuchungen (ÖV). Für die in der ÖRA zu untersuchenden Bereiche ist regelmäßig ein volles Jahr vorzusehen, da die Erhebungen und Beobachtungen eine ganze Vegetationsperiode benötigen. Die Ergebnisse und Empfehlungen flossen anschließend in die Detailplanung zum Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan ein. Die landschaftspflegerischen Maßnahmen sind die Ausgleichsmaßnahmen für die Eingriffe im Flurbereinigungsverfahren insbesondere durch den Wegebau. Die Umsetzung der landschaftspflegerischen Maßnahmen soll im Anschluss (im Folgejahr) an die Besitzeinweisung (entweder Oktober 2022 oder 2023) erfolgen – voraussichtlich im Jahre 2024.

 

Im Wege- und Gewässerplan sind zusätzlich die (zukünftig) schützenswerten mageren Flachlandmähwiesen ausgewiesen, unterteilt in die Kategorien A – B und C. Ohne die ÖRA und ohne die Flurneuordnung wäre der Schutz und der Erhalt der mageren Flachlandmähwiesen durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung der Feldfluren wohl nicht möglich gewesen.

 

Umsetzung und Erhaltung des zukünftigen Biotopverbundes mit Unterstützung des NABU und des Landschaftserhaltungsverbandes:

Die Flurneuordnung Böbingen bildet dank der eingeplanten landschaftspflegerischen Maßnahmen und der mageren Flachlandmähwiesen eine hervorragende Grundlage, einen Biotopverbund herzustellen. Die landschaftspflegerischen Maßnahmen werden nach Ihrer Herstellung an die Gemeinde Böbingen zur weitergehenden Pflege übertragen. Weitergehendes Ziel für den Biotopverbund ist, diese neu ausgewiesenen Grundstücke mit den landschaftspflegerischen Maßnahmen zu verbinden, um dauerhaft die Populationen wildlebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten sichern zu können. Diese Verbindung erfolgt durch die zu schützenden mageren Flachlandmähwiesen oder durch gemeindeeigene Grundstücke, auf denen zusätzliche landschaftspflegerische Maßnahmen verwirklicht werden sollen. Diese Aufgabenstellung wurde im Rahmen einer großen Auftaktveranstaltung mit den Geschäftsbereichen des LRA, dem NABU, dem LEV und mit Mitgliedern des Gemeinderates sowie dem Vertreter der TG Böbingen und dem Obmann der örtlichen Landwirtschaft am 23.04.2021 erörtert und anschließend in vielen weiteren Besprechungen konkretisiert.

 

Ziel der Gemeinde Böbingen ist nun, im Vorfeld der amtlichen Besitzeinweisung die gemeindeeigenen Feldgrundstücke mit ihrem Wert in das Verfahren einzubringen und die für den Biotopverbund notwendigen Flächen (mit gleichem Wert) zu beantragen. Dies muss im Rahmen eines Wunschtermins gegenüber dem LRA GB Flurneuordnung beantragt werden, wofür ein Gemeinderatsbeschluss notwendig ist. Die Zuteilung der Flächen für den Biotopverbund könnte entweder im Oktober 2022 oder im Oktober 2023 erfolgen.

 

2023 oder 2024 sollen dann die landschaftspflegerischen Maßnahmen der Flurneuordnung umgesetzt werden. Es macht Sinn, dass auch die kommunalen Maßnahmen auf den neuen Gemeindeflächen unter der Regie des Landschaftserhaltungsverbandes zeitgleich umgesetzt werden. Bis zur Umsetzung der landschaftspflegerischen Maßnahmen auf den neu zugeteilten Grundstücken kann sich die Gemeinde mit Unterstützung des Landschaftserhaltungsverbandes und dem NABU und in Abstimmung mit verschiedenen Interessensvertretern Gedanken machen, welche Einzelmaßnahmen konkret umgesetzt werden.

 

In den Folgejahren bedarf es einer regelmäßigen Unterhaltung des gesamten Biotopverbundes,– welcher sich dann vollständig im Gemeindeeigentum befindet. Auch diese Pflegemaßnahmen sollten vom Landschaftserhaltungsverband koordiniert und von der Gemeinde Böbingen in regelmäßigen Abschnitten in Auftrag gegeben werden.

 

Zukünftige Finanzierung:

·         Die Herstellung der landschaftspflegerischen Maßnahmen im Rahmen der Flurneuordnung wird von der TG Böbingen finanziert. Deren Beiträge wiederum finanziert die Gemeinde Böbingen auf der Grundlage eines Gemeinderatsbeschlusses aus dem Jahre 2004 zu 70 %. Die notwendigen Flächen werden über den Landabzug bereitgehalten. Die Flächen werden im Anschluss an die Bepflanzungsmaßnahmen an die Gemeinde Böbingen übertragen.

·         Die Herstellung der zusätzlichen landschaftspflegerischen Maßnahmen werden von der Gemeinde Böbingen ohne Fördergelder finanziert. Die gewonnenen Ökopunkte sollen auf dem gemeindlichen Ökokonto gutgeschrieben werden. Somit ist die bessere Planbarkeit für die künftige Gemeindeentwicklung (Wohnbau, Gewerbeentwicklung) gewährleistet. Die dafür notwendigen Grundstücke werden im Wege der Besitzeinweisung beantragt. Es wäre wünschenswert, wenn die Gemeinde Böbingen noch zusätzlich Tauschflächen zukaufen könnte.

·         Für die regelmäßige aller Landschaftspflege müssen zukünftig finanzielle Mittel im Haushalt veranschlagt werden.

 

Die Verwaltung wird den Biotopverbund zusammen mit Frau Zwick vom Landschaftserhaltungsverband in der Sitzung anhand von Karten erläutern.


 

 

Beschlussvorschlag:

 

  • Die Gemeinde Böbingen beantragt beim Wunschtermin für die Besitzeinweisung der Flurneuordnung die notwendigen Flächen für den Biotopverband
  • Die Verwaltung wird beauftragt die landschaftspflegerischen Einzelmaßnahmen in der Zusammenarbeit mit dem LEV und dem NABU zu konkretisieren, mit Interessensvertretern abzustimmen und diese im Gemeinderat vorzustellen.