Sachverhalt:
Begriff
Biotopverbund:
Die Zersiedelung
der Landschaft macht es vielen Tieren – egal ob Insekten, Säugetiere, Fische
oder Vögel – schwer, sich großräumig zu bewegen. Dies erschwert nicht nur ihr
Überleben, weil es ihnen an Ausweich-, Nahrungs- und Rückzugsmöglichkeiten
fehlt, sondern es besteht auch die Gefahr, dass es innerhalb der einzelnen
Biotope zu einer genetisch schädlichen Inzucht kommt, weil ein Genomaustausch
mit anderen Populationen nicht mehr möglich ist. Um dies zu verhindern, fordert
das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in seinen §§ 20 und 21 zwischen Biotopen
räumlich und funktional großräumige Verbindungen zu schaffen (= Biotopverbund).
Ein Biotopverbund ist also viel weitläufiger als eine bloße Biotopvernetzung,
denn eine solche bezieht sich ausschließlich auf die Verbesserung der
Agrarstruktur in landwirtschaftlich geprägten Räumen und nie auf eine gesamte
Gemarkung, geschweige denn darüber hinaus. Ziel des Biotopverbunds ist die
dauerhafte Sicherung der Populationen wildlebender Tiere und Pflanzen
einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie die
Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer
Wechselbeziehungen. § 22 des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes
(NatSchG) gibt in diesem Zusammenhang das Ziel vor, den Biotopverbund im Ländle
bis zum Jahr 2030 auf mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche
auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, fördert das Land kommunale Planungen
für einen Biotopverbund mit 90 % Zuschuss. Für die Gemeinden hat eine
Biotopverbundplanung alternativ zu Fördergelder den Vorteil, dass
naturschutzrechtlich notwendige Ausgleichmaßnahmen gezielter und fachlich
sinnvoller gestaltet werden können, da diese in ein größeres Konzept
eingebettet sind. Zudem bietet das Konzept eine bessere Planbarkeit für die
künftige Gemeindeentwicklung. Die in der Biotopverbundplanung vorgesehenen Maßnahmen
sind allerdings rein freiwillig; eine Verpflichtung zur Umsetzung besteht also
nicht. Setzt eine Gemeinde eine Maßnahme tatsächlich um, kann sie hierfür aber
bis zu 70 % Förderung erhalten; zudem kann der Eigenkostenanteil in Form von
Ökopunkten dem gemeindlichen Ökokonto gutgeschrieben werden.
Mögliche Maßnahmen wären beispielsweise:
• die Pflege von artenreichem Grünland;
• die Neuanlage und Pflege von Kleingewässern,
Streuobstwiesen, Hecken, Feldgehölzen, Saumbiotopen, Blühstreifen oder Blühflächen;
• die Sanierung von Trockenmauern.
Das Erstellen
einer Biotopverbundplanung ist für die Gemeinde nicht nur sinnvoll, sondern
mittelfristig auch für eine Gemeindeentwicklung unvermeidbar. Bereits in der
Vergangenheit war die Gemeinde Böbingen verpflichtet, Eingriffe aufgrund
Versiegelungen für neue Wohnbaugebiete und Gewerbegebiete, aber auch für Grün-
und Sportanlagen (z.B. Park am alten Bahndamm, Bikerpark) auszugleichen. Der
naturschutzrechtliche Ausgleich erfolgte in der Vergangenheit nicht aufgrund
eines fertigen Landschaftsplanes (der viele Ideen bzw. Einzelmaßnahmen
beinhaltet), sondern wurde auf gemeindeeigenen Flächen verwirklicht. Auch lag
kein Ökokonto vor, auf welches die Gemeinde Böbingen in der Vergangenheit
zurückgreifen konnte. Mit der Verwirklichung des Waldrefugiums konnte eine
erste große Maßnahme für das gemeindliche Ökokonto verwirklicht werden. Es dient der
Sicherung der von Alt - und Totholz bewohnenden Arten im Bereich des alten
Waldes im Gewann Bruckholz. Mit dem Anlegen der Blühwiesen, vorwiegend im Ort
konnte ein weiteres Projekt verwirklicht werden, wofür ebenfalls Ökopunkte
gutgeschrieben werden.
Flurneuordnung:
Landesweit wurde
im Verfahren Böbingen erstmals verfahrensbegleitend eine ökologische
Ressourcenanalyse und Bewertung in der Flurneuordnung (ÖRA) durchgeführt. Die
ÖRA ist ein Instrument, mit dem gleichzeitig die verschiedenen Ressourcen wie
Boden, Gewässer, Flora, Fauna, Biotope, Landschaftselemente, Kleinstbiotope und
Schutzgebiete standardisiert erhoben, bewertet und bilanziert werden können.
Grundlage dafür waren neben vorhandenen Gutachten, Planungen und sonstigen
gebietsbezogenen Grundlagendaten, die im Vorfeld erstellte Ökologische Voruntersuchungen (ÖV). Für die in der ÖRA zu untersuchenden
Bereiche ist regelmäßig ein volles Jahr vorzusehen, da die Erhebungen und
Beobachtungen eine ganze Vegetationsperiode benötigen. Die Ergebnisse und
Empfehlungen flossen anschließend in die Detailplanung zum Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan ein. Die
landschaftspflegerischen Maßnahmen sind die Ausgleichsmaßnahmen für die
Eingriffe im Flurbereinigungsverfahren insbesondere durch den Wegebau. Die
Umsetzung der landschaftspflegerischen Maßnahmen soll im Anschluss (im
Folgejahr) an die Besitzeinweisung (entweder Oktober 2022 oder 2023) erfolgen –
voraussichtlich im Jahre 2024.
Im Wege- und
Gewässerplan sind zusätzlich die (zukünftig) schützenswerten mageren
Flachlandmähwiesen ausgewiesen, unterteilt in die Kategorien A – B und C. Ohne
die ÖRA und ohne die Flurneuordnung wäre der Schutz und der Erhalt der mageren
Flachlandmähwiesen durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung der
Feldfluren wohl nicht möglich gewesen.
Umsetzung
und Erhaltung des zukünftigen Biotopverbundes mit Unterstützung des NABU und
des Landschaftserhaltungsverbandes:
Die Flurneuordnung
Böbingen bildet dank der eingeplanten landschaftspflegerischen Maßnahmen und
der mageren Flachlandmähwiesen eine hervorragende Grundlage, einen Biotopverbund
herzustellen. Die landschaftspflegerischen Maßnahmen werden nach Ihrer
Herstellung an die Gemeinde Böbingen zur weitergehenden Pflege übertragen.
Weitergehendes Ziel für den Biotopverbund ist, diese neu ausgewiesenen
Grundstücke mit den landschaftspflegerischen Maßnahmen zu verbinden, um
dauerhaft die Populationen wildlebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer
Lebensstätten sichern zu können. Diese Verbindung erfolgt durch die zu
schützenden mageren Flachlandmähwiesen oder durch gemeindeeigene Grundstücke,
auf denen zusätzliche landschaftspflegerische Maßnahmen verwirklicht werden
sollen. Diese Aufgabenstellung wurde im Rahmen einer großen
Auftaktveranstaltung mit den Geschäftsbereichen des LRA, dem NABU, dem LEV und
mit Mitgliedern des Gemeinderates sowie dem Vertreter der TG Böbingen und dem
Obmann der örtlichen Landwirtschaft am 23.04.2021 erörtert und anschließend in
vielen weiteren Besprechungen konkretisiert.
Ziel der Gemeinde
Böbingen ist nun, im Vorfeld der amtlichen Besitzeinweisung die gemeindeeigenen
Feldgrundstücke mit ihrem Wert in das Verfahren einzubringen und die für den
Biotopverbund notwendigen Flächen (mit gleichem Wert) zu beantragen. Dies muss
im Rahmen eines Wunschtermins gegenüber dem LRA GB Flurneuordnung beantragt werden,
wofür ein Gemeinderatsbeschluss notwendig ist. Die Zuteilung der Flächen für
den Biotopverbund könnte entweder im Oktober 2022 oder im Oktober 2023
erfolgen.
2023 oder 2024
sollen dann die landschaftspflegerischen Maßnahmen der Flurneuordnung umgesetzt
werden. Es macht Sinn, dass auch die kommunalen Maßnahmen auf den neuen
Gemeindeflächen unter der Regie des Landschaftserhaltungsverbandes zeitgleich
umgesetzt werden. Bis zur Umsetzung der landschaftspflegerischen Maßnahmen auf
den neu zugeteilten Grundstücken kann sich die Gemeinde mit Unterstützung des
Landschaftserhaltungsverbandes und dem NABU und in Abstimmung mit verschiedenen
Interessensvertretern Gedanken machen, welche Einzelmaßnahmen konkret umgesetzt
werden.
In den Folgejahren
bedarf es einer regelmäßigen Unterhaltung des gesamten Biotopverbundes,–
welcher sich dann vollständig im Gemeindeeigentum befindet. Auch diese
Pflegemaßnahmen sollten vom Landschaftserhaltungsverband koordiniert und von
der Gemeinde Böbingen in regelmäßigen Abschnitten in Auftrag gegeben werden.
Zukünftige
Finanzierung:
·
Die Herstellung der landschaftspflegerischen
Maßnahmen im Rahmen der Flurneuordnung wird von der TG Böbingen finanziert.
Deren Beiträge wiederum finanziert die Gemeinde Böbingen auf der Grundlage
eines Gemeinderatsbeschlusses aus dem Jahre 2004 zu 70 %. Die notwendigen
Flächen werden über den Landabzug bereitgehalten. Die Flächen werden im
Anschluss an die Bepflanzungsmaßnahmen an die Gemeinde Böbingen übertragen.
·
Die Herstellung der zusätzlichen
landschaftspflegerischen Maßnahmen werden von der Gemeinde Böbingen ohne
Fördergelder finanziert. Die gewonnenen Ökopunkte sollen auf dem gemeindlichen
Ökokonto gutgeschrieben werden. Somit ist die bessere Planbarkeit für die künftige
Gemeindeentwicklung (Wohnbau, Gewerbeentwicklung) gewährleistet. Die dafür
notwendigen Grundstücke werden im Wege der Besitzeinweisung beantragt. Es wäre
wünschenswert, wenn die Gemeinde Böbingen noch zusätzlich Tauschflächen
zukaufen könnte.
·
Für die regelmäßige aller Landschaftspflege müssen
zukünftig finanzielle Mittel im Haushalt veranschlagt werden.
Die Verwaltung
wird den Biotopverbund zusammen mit Frau Zwick vom Landschaftserhaltungsverband
in der Sitzung anhand von Karten erläutern.
Beschlussvorschlag: