Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels 2022-2024

Sachverhalt:

Welche Bedeutung hat ein Mietspiegel?

 

Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter oder Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird nach der gesetzlichen Definition aus den üblichen Entgelten gebildet, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind. Mietspiegel schaffen damit Markttransparenz.

 

Das Hauptanwendungsfeld für Mietspiegel ist das gesetzliche Mieterhöhungsverfahren, mit dem der Vermieter die Zustimmung des Mieters zu einer Erhöhung der vereinbarten Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen kann.

Mietspiegel können daneben auch beim Neuabschluss von Mietverträgen und bei einvernehmlichen d.h. vertraglich vereinbarten Änderungen der Miethöhe Bedeutung als Orientierungshilfe haben. Selbstverständlich sind die Informationen aus Mietspiegeln hierbei nicht zwingend zu beachten, sondern können von den Parteien freiwillig als Entscheidungshilfe herangezogen werden. Schließlich könne Mietspiegel auch im Rahmen der Prüfung von Mietpreisüberhöhungen Bedeutung haben.

 

Welche Arten von Mietspiegel gibt es?

 

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet seit der Mietrechtsreform im Jahr 2001 einfache und qualifizierte Mietspiegel: Zunächst ist nach der gesetzlichen Definition jede Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist, ein Mietspiegel. Das Gesetz knüpft besondere Rechtsfolgen an Mietspiegel, die bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese Mietspiegel werden als qualifizierte Mietspiegel bezeichnet. Für Mietspiegel, die diese Anforderung nicht erfüllen, hat sich der Begriff einfache Mietspiegel herausgebildet.

 

Ein Qualifizierter Mietspiegel muss gemäß § 558d BGB folgende Anforderungen erfüllen:

·         Er muss nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sein und

·         er muss von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden sein.

Außerdem muss ein qualifizierter Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren an die Marktentwicklung angepasst und nach vier Jahren neu erstellt werden.

 

Die besondere Rechtsfolge, die das Gesetz an das Vorhandensein eines qualifizierten Mietspiegels knüpft, sind:

·         Mitteilungsverpflichtung:

Enthält ein qualifizierter Mietspiegel Angaben für eine bestimmte Wohnung, deren Miete der Vermieter im gesetzlichen Mieterhöhungsverfahren erhöhen will, so hat der Vermieter diese Angaben in seinem Mieterhöhungsverfahren auch dann mitzuteilen, wenn er die Mieterhöhung auf ein anderes Begründungsmittel stützt (§ 558a Abs.3 BGB – Vergleichsmieten oder Gutachter).

·         Vermutungswirkung:

Im gerichtlichen Verfahren wird widerlegbar vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs.3 BGB)

 

Welche Bedeutung haben Mietspiegel im Mieterhöhungsverfahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach §§ 558 ff. BGB?

 

Mietverhältnisse sind meist auf längere Zeit angelegt. Zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit können innerhalb gewisser Zeitabschnitte Anpassungen der Miete erforderlich werden. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können sich Mieter und Vermieter während des Mietverhältnisses jederzeit über eine Änderung der Miete einigen (§ 557 Abs. 1 BGB). Sie können aber auch bereits bei Abschluss des Vertrags Mieterhöhungen vereinbaren, und zwar als Staffelmiete (§557a BGB) oder als Indexmiete (§557b BGB)

 

Über die Möglichkeit zur vertraglichen Mieterhöhung hinaus ermöglicht das Gesetz dem Vermieter die Durchführung von Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.

Dieses gesetzliche Mieterhöhungsverfahren wurde als Ausgleich zu dem Verbot für den Vermieter geschaffen, zum Zwecke einer Mieterhöhung ein Wohnraummietverhältnis zu kündigen. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist keine punktgenaue Einzelmiete, sondern ein repräsentativer Querschnitt der üblichen Entgelte in der Gemeinde, also eine Spanne.

 

Zentrale Vorschriften des gesetzlichen Mieterhöhungsverfahrens ist § 558 Abs. 1 BGB. Danach kann der Vermieter vom Mieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn

·         die vereinbarte Miete zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung wirksam werden soll, abgesehen von Erhöhungen aufgrund von Modernisierungen (§§ 559 ff. BGB) oder von Betriebskostenveränderungen (§ 560 BGB) – seit fünfzehn Monaten unverändert geblieben ist, und

·         das Mieterhöhungsverlangen frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht wird, wobei Erhöhungen nach den §§ 559 und 560 BGB nicht berücksichtigt werden, und

·         das jetzige Mieterhöhungsverlangen höchstens zu einer Mietsteigerung von 20
 v. H. innerhalb der letzten drei Jahren führt (sog. Kappungsgrenze; § 558 Abs.3 BGB). In Städten, die in die Rechtsverordnung des Landes Baden-Württemberg gemäß § 558 (3) BGB aufgenommen wurden verringert sich dieser Prozentsatz auf 15 v. H. innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren.

 

Der Vermieter muss das Mieterhöhungsverlangen in Textform erklären und begründen.

Hierzu kann er sich insbesondere stützen auf

·         einen Mietspiegel, und zwar sowohl auf einen einfachen Mietspiegel als auch einen qualifizierten Mietspiegel,

·         eine Auskunft aus einer Mietdatenbank,

·         ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder

·         entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen; hierbei genügt die Benennung von drei Vergleichswohnungen.

 

Hinsichtlich der einzelnen Begründungsmittel ergeben sich folgende Unterschiede:

(1)    Der Vorteil von Mietspiegeln liegt darin, dass sie das örtliche Mietniveau auf einer breiten Informationsbasis abbilden. Sie ermöglichen in der Regel eine einfache und preiswerte Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete für die jeweilige Wohnung. Mietspiegel sind zwar keine förmlichen Beweismittel nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO), sie werden in der Praxis von den Gerichten aber häufig zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen. Liegt ein qualifizierter Mietspiegel vor, der Angaben zu vergleichbaren Wohnungen enthält, so sprechen für dessen Verwendung als Begründungsmittel auch die ohnehin bestehende Pflicht zur Angabe der Miethöhe und die gesetzliche Vermutungswirkung im Prozess

(2)    Zur Mietdatenbank lassen sich keine Aussagen treffen, da die in Deutschland einzige existierende Mietdatenbank von Hannover nicht mehr fortgeschrieben wurde und auch hier vor einigen Jahren ein Mietspiegel erstellt wurde.

(3)    Die Erstellung von Sachverständigengutachten verursacht in der Regel für den Vermieter die höchsten Kosten. Die zuverlässige Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen setzt zudem voraus, dass diesem die Mieten vergleichbarer Wohnungen in hinreichend großer Zahl bekannt sind.

(4)    Die Benennung von drei Vergleichswohnungen ist für den Vermieter ein einfaches und preisgünstiges Begründungsmittel, wenn er über entsprechende Informationen verfügt. Allerdings ist die Datengrundlage bei drei Wohnungen sehr gering, so dass ein Mieter nicht überprüfen kann, ob sich die ortsübliche Vergleichsmiete tatsächlich auf dem Niveau der Vergleichswohnung befindet, oder ob es sich bei den Wohnungen nur um „Ausreißer nach oben“ handelt. Aus diesem Grund kann auch im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete nicht mit der Benennung von Vergleichswohnungen bewiesen werden.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Mietspiegel im gesetzlichen Mieterhöhungsverlangen an zwei Stellen eine Rolle spielen können: im Mieterhöhungsverlangen des Vermieters und im Prozess auf Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung. Man spricht insoweit von der Begründungsfunktion des Mietspiegels und von seiner Beweisfunktion im Prozess.

 

Die Anforderungen an die Qualität des Mietspiegels sind hierbei unterschiedlich. An die Qualität eines Mietspiegels als Begründungsmittel werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Für die Verwendung eines Mietspiegels als Mittel zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete im Prozess kommt es dagegen entscheidend auf dessen Qualität an.

 

Das Gericht kann und wird seiner Entscheidung die Werte eines Mietspiegels insbesondere dann zugrunde legen, wenn dieser die erforderlichen Formalien des Aufstellungsverfahrens erfüllt und das Gericht von der Richtigkeit der ausgewiesenen Werte überzeugt ist. Letzteres wird umso eher der Fall sein, je sorgfältiger der Mietspiegel erstellt wurde und je eher sich diese Erstellung nachvollziehen lässt. Hierbei kommt es beispielsweise darauf an, welche Daten der Mietspiegelerstellung zugrunde gelegt wurden, wie aktuell die Daten waren und wie sie ausgewertet wurden.

Wurde der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt (qualifizierter Mietspiegel), so gilt im Prozess kraft Gesetzes die – durch andere Beweismittel, insbesondere durch ein Sachverständigengutachten widerlegbare – Vermutung, dass die in ihm bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.

 

Welche Bedeutung haben Mietspiegel für die Kommunen?

 

·         Bürgerservice als Beitrag zum sozialen Frieden

·         Verfolgung überhöhter Mietpreise

·         Kommunen sind selbst Vermieter und Mieter

·         Bewertung des kommunalen Wohnungsbestandes

·         Stadtentwicklungspolitische Aspekte bei differenzierter Auswertung

·         Informationslage für Investoren

·         Festlegung der Höchstmiete im geförderten Wohnungsbestand

·         Grundlage für die Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger (Jobcenter/Kreissozialamt)

 

Relevanz des Mietspiegels für Grundsicherungsträger:

 

·         Empfänger von Sozialleistungen (SGB II/SGB XII) haben Anspruch auf Übernahme der angemessenen Mietkosten.
Problem: Wie hoch sind die angemessenen Mietkosten in ihrer Gemeinde?

·         Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist jeder Grundsicherungsträger verpflichtet, die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten im Rahmen eines „schlüssigen Konzepts“ zu bestimmen.

·         Grundlage hierfür kann/muss ein Mietspiegel sein, den die Gemeinden über eine Datenerhebung und -auswertung aufstellen.

·         Diese Situation führt zu Rechtsunsicherheiten bei den Bürgern und auch dem Grundsicherungsträger, denn die angemessenen Mietkosten können nicht nachvollziehbar bestimmt werden. Es werden daher viele Rechtsstreite vor den Sozialgerichten geführt, die zu Ungleichbehandlungen der Bürger und zu Kostensteigerungen im Kommunalhaushalt führen.

 

Die Nutzung und Anwendung des gemeinsamen Mietspiegels der Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch, sowie den Gemeinden Mutlangen und Waldstetten, hat sich seit dessen Ersterstellung im Jahre 2018 sehr bewährt.

 

Die Neuerstellung des qualifizierten Mietspiegels soll durch das EMA-Institut für empirische Marktanalysen, Waltenhofen 2, 93161 Sinzig, vorgenommen werden. Dem EMA-Institut sind durch die erstmalige Erstellung des qualifizierten Mietsspiegels der Stadt Schwäbisch Gmünd in 2014 sowie den darauffolgenden Fortschreibungen und Neuerstellungen, insbesondere des gemeinsamen Mietspiegels der Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch, sowie den Gemeinden Mutlangen und Waldstetten bereits die Grundlagen und Rahmenbedingungen in Schwäbisch Gmünd und Umgebung bekannt.

 

Bei der Neuerstellung des qualifizierten Mietsspiegels 2022 sollen neben den bereits beteiligten Städten und Gemeinden erstmals auch die beiden Verwaltungsgemeinschaften Rosenstein und Leintal-Frickenhofer Höhe mit den Gemeinden Bartholomä, Böbingen a.d. Rems, Heubach, Heuchlingen und Mögglingen sowie Eschach, Göggingen, Iggingen, Leinzell, Obergröningen und Schechingen einbezogen werden. 

 

Eine interkommunale Zusammenarbeit mit den aufgeführten Gemeinden hat sich schon durch die Erweiterung des gemeinsamen Gutachterausschusses positiv bewährt.

 

Im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitssitzung zwischen Stadtverwaltung, EMA-Institut und den weiteren Umlandgemeinden, wurde die Vorgehensweise zur Mietspiegelerstellung besprochen.

 

Bei der Erstellung des neuen qualifizierten Mietspiegels werden von Seiten des EMA- Instituts die Voraussetzungen für die Anerkennung zum qualifizierten Mietspiegel geschaffen, indem die Erstellung des Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden bei Datenerhebung und Datenauswertung erfolgt.

 

Als Auswertungsmethodik wird die Regressionsanalyse verwendet, die in den „Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen als ein von der Wissenschaft anerkanntes statistisches Auswertungsverfahren genannt wird.

 

Für die Erstellung des Mietsspiegels wurde vom EMA-Institut ein entsprechendes Angebot vorgelegt. Das Angebot setzt sich aus verschiedenen Modulen zusammen, die für die Erstellung notwendig sind. Die Kosten zur Neuerstellung des qualifizierten Mietspiegels in analoger Form sowie als Onlineprodukt belaufen sich für alle Beteiligten Städte und Kommunen auf rund 67.650 € netto einschließlich der Datenerhebung durch das EMA-Institut.

 

Durch die Erweiterung des qualifizierten Mietspiegels mit weiteren Kommune besteht die Möglichkeit einer finanziellen Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Rahmen der Förderung von Kooperationsprojekten mehrerer Gemeinden für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels.

 

Die Förderung sieht dabei einen Festbetrag von 0,25 € pro Einwohner vor. Mit einer Gesamteinwohnerzahl der in Anlage 2 aufgeführten Städte und Gemeinden von rund 121.00 Einwohner beläuft sich ein möglicher Zuschuss auf rund 30.000 €.


Die Kostenaufteilung für die beteiligten Städte und Kommunen unter Berücksichtigung eines möglichen Zuschusses kann auf Grundlage des Angebots des EMA-Instituts der Anlage 4 entnommen werden

Durch eine mögliche finanzielle Förderung verbleibt bei den beteiligten Städten und Gemeinden ein vertretbarer Eigenanteil. Dieser Beträgt für Böbingen nach Abzug der Fördergelder unter 1.200 € - s. Anlage.

 

 

 

 

 

 

 

Beschlussvorschlag:

1.       Der Gemeinderat stimmt der geplanten Erstellung zum gemeinsamen qualifizierten Mietspiegel für die Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch, den Gemeinden Mutlangen und Waldstetten sowie den Verwaltungsgemeinschaften Rosenstein und Leintal-Frickenhofer Höhe 2022 – 2024 zu.

 

2.       Der gemeinsame qualifizierte Mietspiegel wird am 01.04.2022 in Kraft treten.