Sachverhalt:
Welche
Bedeutung hat ein Mietspiegel?
Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete,
die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter oder Mieter
gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist. Die ortsübliche Vergleichsmiete
wird nach der gesetzlichen Definition aus den üblichen Entgelten gebildet, die
in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer
Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren
vereinbart oder geändert worden sind. Mietspiegel schaffen damit
Markttransparenz.
Das Hauptanwendungsfeld für Mietspiegel ist das gesetzliche
Mieterhöhungsverfahren, mit dem der Vermieter die Zustimmung des Mieters zu
einer Erhöhung der vereinbarten Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
verlangen kann.
Mietspiegel können daneben auch beim Neuabschluss von Mietverträgen und
bei einvernehmlichen d.h. vertraglich vereinbarten Änderungen der Miethöhe
Bedeutung als Orientierungshilfe haben. Selbstverständlich sind die
Informationen aus Mietspiegeln hierbei nicht zwingend zu beachten, sondern
können von den Parteien freiwillig als Entscheidungshilfe herangezogen werden.
Schließlich könne Mietspiegel auch im Rahmen der Prüfung von
Mietpreisüberhöhungen Bedeutung haben.
Welche Arten
von Mietspiegel gibt es?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet seit der Mietrechtsreform
im Jahr 2001 einfache und qualifizierte Mietspiegel: Zunächst ist nach der
gesetzlichen Definition jede Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete,
die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter
gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist, ein Mietspiegel. Das Gesetz
knüpft besondere Rechtsfolgen an Mietspiegel, die bestimmte Anforderungen
erfüllen. Diese Mietspiegel werden als qualifizierte Mietspiegel bezeichnet.
Für Mietspiegel, die diese Anforderung nicht erfüllen, hat sich der Begriff
einfache Mietspiegel herausgebildet.
Ein Qualifizierter Mietspiegel muss gemäß § 558d BGB folgende
Anforderungen erfüllen:
·
Er muss nach anerkannten wissenschaftlichen
Grundsätzen erstellt sein und
·
er muss von der Gemeinde oder von
Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden sein.
Außerdem muss ein qualifizierter Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren
an die Marktentwicklung angepasst und nach vier Jahren neu erstellt werden.
Die besondere Rechtsfolge, die das Gesetz an das Vorhandensein eines
qualifizierten Mietspiegels knüpft, sind:
·
Mitteilungsverpflichtung:
Enthält ein qualifizierter Mietspiegel Angaben
für eine bestimmte Wohnung, deren Miete der Vermieter im gesetzlichen
Mieterhöhungsverfahren erhöhen will, so hat der Vermieter diese Angaben in
seinem Mieterhöhungsverfahren auch dann mitzuteilen, wenn er die Mieterhöhung
auf ein anderes Begründungsmittel stützt (§ 558a Abs.3 BGB – Vergleichsmieten
oder Gutachter).
·
Vermutungswirkung:
Im gerichtlichen Verfahren wird widerlegbar
vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die
ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs.3 BGB)
Welche
Bedeutung haben Mietspiegel im Mieterhöhungsverfahren bis zur ortsüblichen
Vergleichsmiete nach §§ 558 ff. BGB?
Mietverhältnisse sind meist auf längere Zeit angelegt. Zur
Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit können innerhalb gewisser
Zeitabschnitte Anpassungen der Miete erforderlich werden. Nach dem Grundsatz
der Vertragsfreiheit können sich Mieter und Vermieter während des
Mietverhältnisses jederzeit über eine Änderung der Miete einigen (§ 557 Abs. 1
BGB). Sie können aber auch bereits bei Abschluss des Vertrags Mieterhöhungen
vereinbaren, und zwar als Staffelmiete (§557a BGB) oder als Indexmiete (§557b
BGB)
Über die Möglichkeit zur vertraglichen Mieterhöhung hinaus ermöglicht das
Gesetz dem Vermieter die Durchführung von Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen
Vergleichsmiete.
Dieses gesetzliche Mieterhöhungsverfahren wurde als Ausgleich zu dem
Verbot für den Vermieter geschaffen, zum Zwecke einer Mieterhöhung ein
Wohnraummietverhältnis zu kündigen. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist keine
punktgenaue Einzelmiete, sondern ein repräsentativer Querschnitt der üblichen
Entgelte in der Gemeinde, also eine Spanne.
Zentrale Vorschriften des gesetzlichen Mieterhöhungsverfahrens ist § 558
Abs. 1 BGB. Danach kann der Vermieter vom Mieter die Zustimmung zu einer
Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn
·
die vereinbarte Miete zu dem Zeitpunkt, zu dem die
Erhöhung wirksam werden soll, abgesehen von Erhöhungen aufgrund von
Modernisierungen (§§ 559 ff. BGB) oder von Betriebskostenveränderungen (§ 560
BGB) – seit fünfzehn Monaten unverändert geblieben ist, und
·
das Mieterhöhungsverlangen frühestens ein Jahr nach
der letzten Mieterhöhung geltend gemacht wird, wobei Erhöhungen nach den §§ 559
und 560 BGB nicht berücksichtigt werden, und
·
das jetzige Mieterhöhungsverlangen höchstens zu
einer Mietsteigerung von 20
v. H. innerhalb der letzten drei Jahren
führt (sog. Kappungsgrenze; § 558 Abs.3 BGB). In Städten, die in die
Rechtsverordnung des Landes Baden-Württemberg gemäß § 558 (3) BGB aufgenommen
wurden verringert sich dieser Prozentsatz auf 15 v. H. innerhalb eines
Zeitraums von drei Jahren.
Der Vermieter muss das Mieterhöhungsverlangen in Textform erklären und
begründen.
Hierzu kann er sich insbesondere stützen auf
·
einen Mietspiegel, und zwar sowohl auf einen
einfachen Mietspiegel als auch einen qualifizierten Mietspiegel,
·
eine Auskunft aus einer Mietdatenbank,
·
ein mit Gründen versehenes Gutachten eines
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder
·
entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare
Wohnungen; hierbei genügt die Benennung von drei Vergleichswohnungen.
Hinsichtlich der einzelnen Begründungsmittel ergeben sich folgende
Unterschiede:
(1)
Der Vorteil von Mietspiegeln liegt darin, dass sie
das örtliche Mietniveau auf einer breiten Informationsbasis abbilden. Sie
ermöglichen in der Regel eine einfache und preiswerte Ermittlung der
ortsüblichen Vergleichsmiete für die jeweilige Wohnung. Mietspiegel sind zwar
keine förmlichen Beweismittel nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung
(ZPO), sie werden in der Praxis von den Gerichten aber häufig zur Ermittlung
der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen. Liegt ein qualifizierter
Mietspiegel vor, der Angaben zu vergleichbaren Wohnungen enthält, so sprechen
für dessen Verwendung als Begründungsmittel auch die ohnehin bestehende Pflicht
zur Angabe der Miethöhe und die gesetzliche Vermutungswirkung im Prozess
(2)
Zur Mietdatenbank lassen sich keine Aussagen
treffen, da die in Deutschland einzige existierende Mietdatenbank von Hannover
nicht mehr fortgeschrieben wurde und auch hier vor einigen Jahren ein
Mietspiegel erstellt wurde.
(3)
Die Erstellung von Sachverständigengutachten
verursacht in der Regel für den Vermieter die höchsten Kosten. Die zuverlässige
Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen setzt
zudem voraus, dass diesem die Mieten vergleichbarer Wohnungen in hinreichend
großer Zahl bekannt sind.
(4)
Die Benennung von drei Vergleichswohnungen ist für
den Vermieter ein einfaches und preisgünstiges Begründungsmittel, wenn er über
entsprechende Informationen verfügt. Allerdings ist die Datengrundlage bei drei
Wohnungen sehr gering, so dass ein Mieter nicht überprüfen kann, ob sich die
ortsübliche Vergleichsmiete tatsächlich auf dem Niveau der Vergleichswohnung
befindet, oder ob es sich bei den Wohnungen nur um „Ausreißer nach oben“
handelt. Aus diesem Grund kann auch im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete
nicht mit der Benennung von Vergleichswohnungen bewiesen werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Mietspiegel im gesetzlichen
Mieterhöhungsverlangen an zwei Stellen eine Rolle spielen können: im
Mieterhöhungsverlangen des Vermieters und im Prozess auf Zustimmung zu der
verlangten Mieterhöhung. Man spricht insoweit von der Begründungsfunktion des
Mietspiegels und von seiner Beweisfunktion im Prozess.
Die Anforderungen an die Qualität des Mietspiegels sind hierbei unterschiedlich.
An die Qualität eines Mietspiegels als Begründungsmittel werden keine
besonderen Anforderungen gestellt. Für die Verwendung eines Mietspiegels als
Mittel zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete im Prozess kommt es
dagegen entscheidend auf dessen Qualität an.
Das Gericht kann und wird seiner Entscheidung die Werte eines
Mietspiegels insbesondere dann zugrunde legen, wenn dieser die erforderlichen
Formalien des Aufstellungsverfahrens erfüllt und das Gericht von der
Richtigkeit der ausgewiesenen Werte überzeugt ist. Letzteres wird umso eher der
Fall sein, je sorgfältiger der Mietspiegel erstellt wurde und je eher sich
diese Erstellung nachvollziehen lässt. Hierbei kommt es beispielsweise darauf
an, welche Daten der Mietspiegelerstellung zugrunde gelegt wurden, wie aktuell
die Daten waren und wie sie ausgewertet wurden.
Wurde der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen
erstellt (qualifizierter Mietspiegel), so gilt im Prozess kraft Gesetzes die –
durch andere Beweismittel, insbesondere durch ein Sachverständigengutachten
widerlegbare – Vermutung, dass die in ihm bezeichneten Entgelte die ortsübliche
Vergleichsmiete wiedergeben.
Welche
Bedeutung haben Mietspiegel für die Kommunen?
·
Bürgerservice als Beitrag zum sozialen Frieden
·
Verfolgung überhöhter Mietpreise
·
Kommunen sind selbst Vermieter und Mieter
·
Bewertung des kommunalen Wohnungsbestandes
·
Stadtentwicklungspolitische Aspekte bei
differenzierter Auswertung
·
Informationslage für Investoren
·
Festlegung der Höchstmiete im geförderten
Wohnungsbestand
·
Grundlage für die Berechnung der angemessenen Kosten
der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger (Jobcenter/Kreissozialamt)
Relevanz des
Mietspiegels für Grundsicherungsträger:
·
Empfänger von Sozialleistungen (SGB II/SGB XII)
haben Anspruch auf Übernahme der angemessenen Mietkosten.
Problem: Wie hoch sind die angemessenen Mietkosten in ihrer Gemeinde?
·
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist
jeder Grundsicherungsträger verpflichtet, die Höhe der angemessenen
Unterkunftskosten im Rahmen eines „schlüssigen Konzepts“ zu bestimmen.
·
Grundlage hierfür kann/muss ein Mietspiegel sein,
den die Gemeinden über eine Datenerhebung und -auswertung aufstellen.
·
Diese Situation führt zu Rechtsunsicherheiten bei
den Bürgern und auch dem Grundsicherungsträger, denn die angemessenen
Mietkosten können nicht nachvollziehbar bestimmt werden. Es werden daher viele
Rechtsstreite vor den Sozialgerichten geführt, die zu Ungleichbehandlungen der
Bürger und zu Kostensteigerungen im Kommunalhaushalt führen.
Die Nutzung und
Anwendung des gemeinsamen Mietspiegels der Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch,
sowie den Gemeinden Mutlangen und Waldstetten, hat sich seit dessen
Ersterstellung im Jahre 2018 sehr bewährt.
Die Neuerstellung
des qualifizierten Mietspiegels soll durch das EMA-Institut für empirische
Marktanalysen, Waltenhofen 2, 93161 Sinzig, vorgenommen werden. Dem
EMA-Institut sind durch die erstmalige Erstellung des qualifizierten
Mietsspiegels der Stadt Schwäbisch Gmünd in 2014 sowie den darauffolgenden
Fortschreibungen und Neuerstellungen, insbesondere des gemeinsamen Mietspiegels
der Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch, sowie den Gemeinden Mutlangen und
Waldstetten bereits die Grundlagen und Rahmenbedingungen in Schwäbisch Gmünd
und Umgebung bekannt.
Bei der
Neuerstellung des qualifizierten Mietsspiegels 2022 sollen neben den bereits
beteiligten Städten und Gemeinden erstmals auch die beiden
Verwaltungsgemeinschaften Rosenstein und Leintal-Frickenhofer Höhe mit den
Gemeinden Bartholomä, Böbingen a.d. Rems, Heubach, Heuchlingen und Mögglingen
sowie Eschach, Göggingen, Iggingen, Leinzell, Obergröningen und Schechingen
einbezogen werden.
Eine interkommunale
Zusammenarbeit mit den aufgeführten Gemeinden hat sich schon durch die
Erweiterung des gemeinsamen Gutachterausschusses positiv bewährt.
Im Rahmen einer
gemeinsamen Arbeitssitzung zwischen Stadtverwaltung, EMA-Institut und den
weiteren Umlandgemeinden, wurde die Vorgehensweise zur Mietspiegelerstellung
besprochen.
Bei der Erstellung
des neuen qualifizierten Mietspiegels werden von Seiten des EMA- Instituts die
Voraussetzungen für die Anerkennung zum qualifizierten Mietspiegel geschaffen,
indem die Erstellung des Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen
Methoden bei Datenerhebung und Datenauswertung erfolgt.
Als
Auswertungsmethodik wird die Regressionsanalyse verwendet, die in den
„Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln“ des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen als ein von der Wissenschaft anerkanntes statistisches
Auswertungsverfahren genannt wird.
Für die Erstellung
des Mietsspiegels wurde vom EMA-Institut ein entsprechendes Angebot vorgelegt.
Das Angebot setzt sich aus verschiedenen Modulen zusammen, die für die
Erstellung notwendig sind. Die Kosten zur Neuerstellung des qualifizierten
Mietspiegels in analoger Form sowie als Onlineprodukt belaufen sich für alle
Beteiligten Städte und Kommunen auf rund 67.650 € netto einschließlich der
Datenerhebung durch das EMA-Institut.
Durch die
Erweiterung des qualifizierten Mietspiegels mit weiteren Kommune besteht die
Möglichkeit einer finanziellen Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft,
Arbeit und Wohnungsbau im Rahmen der Förderung von Kooperationsprojekten mehrerer
Gemeinden für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels.
Die Förderung sieht
dabei einen Festbetrag von 0,25 € pro Einwohner vor. Mit einer
Gesamteinwohnerzahl der in Anlage 2 aufgeführten Städte und Gemeinden von rund
121.00 Einwohner beläuft sich ein möglicher Zuschuss auf rund 30.000 €.
Die Kostenaufteilung für die beteiligten Städte und Kommunen unter
Berücksichtigung eines möglichen Zuschusses kann auf Grundlage des Angebots des
EMA-Instituts der Anlage 4 entnommen werden
Durch eine mögliche
finanzielle Förderung verbleibt bei den beteiligten Städten und Gemeinden ein
vertretbarer Eigenanteil. Dieser Beträgt für Böbingen nach Abzug der
Fördergelder unter 1.200 € - s. Anlage.
Beschlussvorschlag:
1.
Der
Gemeinderat stimmt der geplanten Erstellung zum gemeinsamen qualifizierten
Mietspiegel für die Städte Schwäbisch Gmünd und Lorch, den Gemeinden Mutlangen
und Waldstetten sowie den Verwaltungsgemeinschaften Rosenstein und
Leintal-Frickenhofer Höhe 2022 – 2024 zu.
2.
Der
gemeinsame qualifizierte Mietspiegel wird am 01.04.2022 in Kraft treten.