Errichtung einer passiven Netzinfrastruktur (FTTP) für "weiße Flecken"

Betreff
Errichtung einer passiven Netzinfrastruktur (FTTP) für "weiße Flecken"
- Aufhebung der Ausschreibung der Planungs- und Ingenieurleistungen im Rahmen des VgV Verfahrens
- Beschluss über die erneute Ausschreibung
Vorlage
2021/GR/053
Aktenzeichen
358.02
Art
Beschlussvorlage-GR

Sachverhalt:

 

Verfahrensbegleitung VgV-Verfahren, Breitbandausbau „Weiße Flecken in Böbingen“

 

Die Gemeinde Böbingen plant bis Ende 2024 den vollständigen Ausbau der Bereiche, die aufgrund der durchgeführten Markterkundung nicht als ausgebaute Bereiche ausgewiesen sind („Weiße Flecken“).

 

Die Bundesförderung i.H.v. 50% der grob geschätzten Kosten ist zwischenzeitlich vorläufig bewilligt, so dass der Ausbau nun nach rechtlichen Vorgaben geplant werden muss. Die Co-Finanzierung des Landes in Höhe von max. 40% wird nach Auskunft des Referenten des Innenministers von B.-W. in Kürze bewilligt (Einplanung im Nachtrag des Landeshaushalt erfolgt).  Die Zahl der in Frage kommenden Ingenieurbüros ist aufgrund der rechtlichen Maßgaben begrenzt. Da mit einem Ingenieurhonorar von deutlich mehr als 214.000 Euro netto zu rechnen war, war eine Ausschreibung aufgrund der Vergabeverordnung (VgV) dieser Planungsleistungen vor. Das Ausschreibungsprozedere wurde aufgrund eines Beschlusses durch den Gemeinderat von einem Büro vorbereitet, welches sich selbst an der Ausschreibung nicht beteiligt hat (Büro Brenner aus Ellwangen). Die Kosten für die Durchführung des VGV-Verfahrens werden zu 100% gefördert.

 

Das europaweite Ausschreibungsverfahren ist zwischenzeitlich ausgewertet. Es liegt nur ein Angebot vor. Zwei weitere Anbieter nahmen kurz vor dem Vergabegespräch am 08.07.2021 ihr Angebot zurück. Das Vergabegespräch des Vergabegremiums mit dem einzigen Anbieter fand am 08.07.2021 statt. Bereits im Vorfeld wurde der einzig verbliebene Bieter vom Büro Brenner als fachlich geeignet eingeschätzt.

 

Vergaberecht nach der VOB/A und VgV

Eine Ausschreibung endet regelmäßig mit dem Zuschlag. Unter dem zivilrechtlichen Blickwinkel ist mit dem Zuschlag der Vertrag wirksam geschlossen. Nur ausnahmsweise darf eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn schwerwiegende Gründe dafür vorliegen. Die Rechtsprechung stellt jedoch an diese Gründe sehr strenge Anforderungen. Ein Aufhebungsgrund liegt beispielsweise vor, wenn kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Dann muss der Auftraggeber (AG) sogar regelmäßig die Ausschreibung aufheben und darf nicht nur die Anforderungen ändern.

Ende ohne Zuschlag?

Ein Blick ins Gesetz offenbart, dass der Auftraggeber nur ausnahmsweise die Möglichkeit hat, das bereits begonnene Ausschreibungsverfahren rechtmäßig aufzuheben. Dies geschieht, wenn einer der in den § 63 VgV oder § 17 VOB/A genannten Aufhebungsgründe vorliegt. Andererseits genießt auch der öffentliche Auftraggeber das Recht, einen Vertrag nicht abschließen zu müssen (Vertragsfreiheit), sodass er nicht verpflichtet werden kann, das Vergabeverfahren durch Zuschlag und damit durch Vertragsschluss zu beenden. Dies führt dazu, dass eine Aufhebung, wenn keine Aufhebungsgründe vorliegen, rechtswidrig ist, aber wirksam. Er macht sich jedoch wegen eines Verstoßes gegen vorvertragliche Pflichten schadensersatzpflichtig.

Unter Umständen gibt es für den Bieter aber doch einen Anspruch auf Zuschlagserteilung. Dies ist der Fall, wenn der Vergabewille des AG unverändert fortbesteht und die Erteilung des Zuschlags durch die Vergabestelle an einen Bieter die einzige rechtmäßige Entscheidung ist. Denkbar ist hier eine Fallgestaltung, dass entweder die Aufhebung nur zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren (Scheinaufhebung) oder der Auftraggeber für die Aufhebung keinen sachlich gerechtfertigten Grund angibt.

Aufhebungsgründe

Ein Grund für eine wirksame und rechtmäßige Aufhebung liegt nach § 63 VgV bzw. § 17 VOB/A vor, wenn

  • kein Angebot eingegangen ist, dass den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
  • sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat,
  • kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder
  • andere schwerwiegende Gründe bestehen.

Zwar fehlt der Aufhebungsgrund „kein wirtschaftliches Ergebnis“ in § 17 VOB/A. Diese Fälle lassen sich jedoch unter den Aufhebungsgrund der „anderen schwerwiegenden Gründe“ fassen.

Die Abgabe von Angeboten mit ausschließlich unangemessen hohen Preisen kann eine Aufhebung nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 begründen. Allerdings sollte eine Vergabestelle den Bewerbern/Bietern – sofern zulässig – die Möglichkeit zur Korrektur ihrer mangelhaften Angebote geben, indem sie ihnen bspw. die Möglichkeit zum Nachreichen fehlender Unterlagen gibt oder das Verfahren (nach einer Anpassung der Unterlagen) zunächst zurückversetzt statt es direkt aufzuheben. Die Bedingungen für die ausgeschriebenen Leistungen dürfen dabei nicht nachträglich verändert werden, so dass ihnen (dann) eines der eingereichten Angebote entspricht.

 

Weist allerdings (mindestens) ein einziges Angebot keine formellen und materiellen Mängel auf und verstößt es auch ansonsten nicht gegen die Ausschreibungsbedingungen, liegt der Aufhebungsgrund des § 17 Abs. 1 Nr. 1 nicht vor. Dann muss dieses Angebot – wenn der Auftraggeber nicht ohne Aufhebungsgrund das Vergabeverfahren aufheben will – den Zuschlag erhalten, auch wenn sein Preis höher ist als die Preise der fehlerhaften Angebote. Für diesen Fall ist aber möglicherweise eine Aufhebung aus wirtschaftlichen Gründen nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 denkbar, da der Vergabestelle keinerlei Vergleichsangebote zur Verfügung stehen.

 

Honorar

Für die Honorarberechnung wurde nicht die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zugrunde gelegt. Grund dafür ist, dass der Breitbandausbau in der HOAI nicht extra integriert ist. Das Gesamthonorar wurde nach Positionen 1 – 12 aufgegliedert.

 

Das Honorarangebot des einzigen Bieters übersteigt die Honorarschätzung auf Basis der HOAI erheblich. Das Ing. Büro LK&P hat die Honorarkosten incl. „Besonderer Leistungen“ gem. HOAI pauschal auf 800.000 Euro netto geschätzt.

 

 

Das Vergabegremium hat den einzigen Bieter am 08.07.2021 aufgefordert, bis spätestens 13.07.2021, 12.00 Uhr ein finales und insbesondere wirtschaftliches Angebot einzureichen. Insbesondere der Berater des Vergabegremiums, Herr Kreisrechnungsprüfer Johannes Frabschka hatte die Vertreter des einzigen Bieters ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das eingereichte Angebot nicht wirtschaftlich ist.

 

Der einzige Bieter hat im Rahmen des VgV-Verfahrens bis zum 13.07.2021 ein finales Angebot eingereicht. Dieses ist weiterhin deutlich überhöht angesetzt und somit in keinster Weise wirtschaftlich.

 

Die Bewerber und Bieter sind im Falle der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich in Textform zu unterrichten.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

  • Der Gemeinderat hebt die Ausschreibung wegen anderer schwerwiegender Gründe im Sinne von § 17 VOB/A auf

 

  • Der Gemeinderat beschließt die erneute Ausschreibung der Planungs- und Ingenieurleistungen im Rahmen des VGV-Verfahrens.

 

  • Der einzige Bieter ist formal richtig zu informieren