Modernisierung Seniorenzentrum - Vorstellung der Machbarkeitsstudie

Sachverhalt:

 

Die Gemeinde wurde von den Johannitern informiert, dass die neue Landesheimbauverordnung (LHeimBauVO) für die Johanniter-Pflegehäuser Böbingen, Mögglingen, Essingen mehrere Veränderungen einfordert, damit der Betrieb des Kleeblatt-Modells und hier insbesondere die Seniorenwohnanlage Böbingen in der Zukunft erhalten werden kann.

 

1. Anträge:

Für alle drei Pflegewohnhäuser wurden vom Träger im Juni 2019 Anträge auf eine dauerhafte Befreiung, hilfsweise befristete Befreiung von (allen nicht erfüllten Anforderungen) der LHeimBauVO gestellt. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Gemeinden als Verpächter bzw. Eigentümer unter Hinweis auf fehlende Finanzierungsmöglichkeiten entsprechende Umbaumaßnahmen ablehnen und infolgedessen der Träger DZ-Plätze abbauen müsste. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen würden eine wirtschaftliche Härte bedeuten.

Die Heimaufsicht hat hierzu klargestellt, dass die gesetzlichen Vorgaben für alle stationären Pflegeeinrichtungen gelten und es keinen generellen Bestandsschutz für bestehende Häuser gebe. Die LHeimBauVO bezweckt die Verbesserung der Wohnqualität durch höhere Standards im Individual- und Gemeinschaftsbereich. Durch das Wohnen in kleingliedrigen Einheiten (Wohngruppen) soll in stationären Einrichtungen mehr Häuslichkeit, Normalität und Privat-sphäre geschaffen werden.

Jede Einrichtung müsse sich aber „auf den Weg“ machen und beginnen, die Anforderungen umsetzen. Die Heimaufsicht berate hierzu die Träger und versuche, praktikable Lösungs-möglichkeiten im Rahmen der bestehenden Ermessensspielräume aufzuzeigen.

Bei der Konstellation „gepachtete Einrichtung“ soll nach den Ermessenslenkenden Richtlinien zur LHeimBauVO (ERL) grundsätzlich eine längere Frist zur Erfüllung der Anforderungen gewährt werden. Eine maximale Verlängerung wäre möglich bis 25 Jahre ab Erstinbetriebnahme. Dem würde die Heimaufsicht zustimmen, um den Einrichtungen mehr Zeit für Anpassungsmaßnahmen einzuräumen. Fristbeginn und Laufzeit einer individuellen Übergangsfrist bedeuten für

- Böbingen                = ab 2.6.1998 bis 1.6.2023

 

In den Anträgen fehlt die Darstellung der Weiterentwicklung der Einrichtungen im Sinne einer Projektierung bzw. Zielplanung, wie die Anforderungen durch konkrete Anpassungsmaß-nahmen erfüllt werden können. Zu den bisherigen betriebsnotwendigen Investitionskosten und deren Finanzierung wurden keine Unterlagen vorgelegt. Die Dauer der Refinanzierung muss in geeigneter Form nachgewiesen werden (Gutachten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater).

 

2. Problempunkte im Einzelnen:

Betrifft alle Häuser:

- Doppelzimmer: jeweils 2x vorhanden, alle unter 22 m²: Böbingen 21,3 m², Mögglingen 20,1 m², Essingen 19,7 m².

Ø Befreiung bei zu kleinen DZ ist generell nur im Anschluss an eine Übergangsfrist und bei Kleinsteinrichtungen nur im Rahmen einer Gesamtschau möglich, d.h. es muss dargelegt werden, wie die sonstigen Anforderungen erfüllt werden (Erlass SM v. 27.7.2016)

Ø      keine dauerhafte Befreiung möglich

Ø      konkrete Prüfung von Erweiterungs-, Umbau-, Umnutzungsmöglichkeiten

- keine Wohngruppen mit max. 15 Bewohnerplätzen und eigenem Gemeinschaftsbereich

Ø  Soll: mind. 5 m² pro Bewohner, 1/3 außerhalb möglich, ohne Verkehrs- und Erschließungsflächen

Ø  Umgestaltungs-, Umbaumöglichkeiten prüfen und begründen, Aufteilung und Nachweis Gemeinschaftsflächen, Einbau zweite Wohnküche (in Essingen vorhanden)

Ø  befristete Befreiung, wenn wirtschaftliche Unzumutbarkeit begründet und festgestellt wird

- kein rollstuhlgerechtes Einzelzimmer mit Bad vorhanden

Ø  erforderlich mindestens 1x pro Einrichtung, muss geschaffen werden

Ø  keine befristete/dauerhafte Befreiung möglich

- keine Nutzungseinheit vorhanden

Ø  erforderlich mindestens 1x pro Einrichtung, muss geschaffen werden

Ø  keine befristete/dauerhafte Befreiung möglich

 

Böbingen:

- Wohngruppen: Aufteilung in zwei Wohngruppen baulich schwierig, keine Flächen für

Schaffung eines zweiten Gemeinschaftsbereichs vorhanden

- Prüfen Verlagerung / Umnutzung von Funktionsräumen (z.B. Umkleiden)

 

 

3. Ergebnisse der Machbarkeitsstudie:

 

Die Weiterentwicklungs-/Zielplanung muss von einem geeigneten Fachbüro bewertet werden. Hierfür hat das Büro GSP (Gesellschaft für Soziales Planen) aus Stuttgart in Abstimmung mit den Johannitern ein Angebot nach Zeitaufwand vorgelegt. Der Gemeinderat hat den Planungsauftrag in seiner Sitzung am 02.03.2020 an das Büro GPS vergeben.

Das Büro hat verschiedene Konzepte erarbeitet und mit der Verwaltung, der Johanniter Unfall Hilfe und Herr Dr. Högerle als Experten für ehrenamtliche Seniorenarbeit abgestimmt.

 

Das Büro GSP stellt zwei Modelle vor, bei denen die Problemstellungen gelöst werden konnten:

 

  1. Kleine Lösung
    Erweiterungsbau im Bereich des Hangs zur Scheuelbergstraße. Hier könnten 2 Wohngruppen einschließlich der notwendigen Gemeinschaftsräume mit 13 bzw. 11 Bewohnern im OG eingerichtet werden.
  2. Größere Lösung
    Größerer Vorbau an den Eingangsbereich und zusätzlich kleinerer Erweiterungsbau in südlicher Richtung (Hirtensteige). Hier könnten im OG zwei Wohngruppen mit 14 bzw. 16 Bewohnern untergebracht werden. Da im Bereitschaftsdienst pro 15 Bewohner eine Pflegekraft eingesetzt werden muss wäre diese Alternative für den Betreiber der Einrichtung voraussichtlich die ideale Lösung.

 

Geschaffene Flächen im EG könnten beliebig genutzt werden (z.B. betreute Wohnungen). Alternativ könnte der notwendige Anbau für das OG auch ohne Erdgeschoss errichtet werden (Stelzenbau).

Kosten für den Neubau wurden im Zusammenhang mit der Untersuchung nicht berechnet (Pauschale und unverbindliche Schätzung. Mind. 3.000 €/m² Wohnfläche)

Ein Planer des Büros GSP wir die Machbarkeitsstudie in der Gemeinderatssitzung vorstellen.

 

Das Seniorenzentrum mit Pflegeeinrichtung und betreuten Wohnungen aus dem Jahr 1998

 

Historie:

Das Seniorenzentrum wurde zum 01.07.1998 fertiggestellt und eingeweiht. Der Bau stellte für die Gemeinde Böbingen einen großen Kraftakt dar. Durch die gemeinschaftliche Organisation mit Heubach, Mögglingen und Essingen wurde in der Gemeinde Böbingen die Errichtung eines Pflegeheims als Kleinsteinrichtung ermöglicht. Das sogenannte „Kleeblatt-Modell“ war ein Modellprojekt, wofür die Gemeinde Böbingen hohe Zuschüsse vom Land Baden-Württemberg erhielt.

Ziel der Errichtung des Seniorenzentrums war es, Menschen in der Pflegeeinrichtung, im Betreuten Wohnen und alle weiteren Seniorenangebote zusammen zu bringen um eine gute Seniorenarbeit und ein gutes Miteinander zu ermöglichen.

 

Die Finanzierung des Seniorenzentrums stellte sich 1998 wie folgt dar:

 

Ausgaben:

 

Grunderwerb, Vermessung und Erschließung

664.000 DM

Baunebenkosten (Planung, Bauleitung…)

835.000 DM

Beteiligung an der Zentralküche in Heubach

111.000 DM

Bauwerkkosten

5.534.000 DM

Ausstattung

288.000 DM

Gesamtausgaben:

7.432.000 DM

 

 

Einnahmen:

 

Verkaufserlöse (Räume für Ev. Kirche, Eigentumswohnungen im betreuten Wohnen)

1.415.000 DM

Landesbeihilfe

1.600.000 DM

Zuschuss Ostalbkreis

384.000 DM

Zuschuss Katholische Kirchengemeinde

200.000 DM

Einnahmen Förderverein

450.000 DM

Zuschuss v. Land für Gemeinschafts- und Versorgungseinrichtungen

ca. 30.000 DM

Gesamteinnahmen

4.079.000 DM

 

 

Ausgaben der Gemeinde

3.353.000 DM

 

Seit Juli 1998 erhält die Gemeinde Böbingen eine jährliche Pacht in Höhe von 91.000 Euro. Die Pflegeeinrichtung ist nach 25 Jahren eigentlich abgeschrieben. Die Kosten sind auch unter Berücksichtigung von Wartungs- und Instandhaltungskosten abfinanziert. Die Gemeinde Böbingen konnte zudem in guter Abstimmung mit dem Betreiber der Einrichtung einen Großteil der Räumlichkeiten im EG des Pflegezentrums für die eigene Seniorenarbeit nutzen.

 

Prognose: Zusätzliche Modernisierung des Seniorenzentrums

 

Der notwendige Anbau an das Pflegeheim könnte evtl. die Komplettsanierung der bestehenden Räumlichkeiten im gesamten Trakt erforderlich machen. Ähnlich wie beim „Bildungszentrum Am Römerkastell“ sind zukünftig weitergehende hohe Anforderungen an den Brandschutz zu befürchten. Auch hinsichtlich der Vorgaben für Versorgungsleitungen gelten bekanntlich hohe Anforderungen.

 

Weitere Vorgehensweise

 

 

Ziel der Gemeinde Böbingen muss sein, dass das Pflegezentrum zeitgemäß und zukunftsgerecht weiterentwickelt wird. Der Betrieb einer Pflegeeinrichtung ist allerdings eine wirtschaftliche Einrichtung. Üblich ist in der heutigen Zeit, dass der Betreiber der Anlage auch Eigentümer der Pflegeeinrichtung wird. Die Gemeinde Böbingen wäre aktuell nicht in der Lage die Weiterentwicklung der Pflegeeinrichtung selbst zu stemmen – weder finanziell und schon gar nicht personell.

 

Mit der Machbarkeitsstudie wurde im 1. Schritt eine Perspektive für eine gute Zukunft des Pflegezentrums und des gesamten Seniorenzentrums aufgezeigt. Die Rahmenbedingungen mit den Angeboten für die Senioren im Park am alten Bahndamm sind optimal. Aus Sicht der Verwaltung sollte der Betreiber als zukünftiger Miteigentümer in der Eigentümergemeinschaft das Pflegezentrum zu einem marktgerechten Preis (analog Heubach) übernehmen. Im Eigentum der Gemeinde sollten Räumlichkeiten im EG verbleiben, die für die Seniorenarbeit der Gemeinde Böbingen und des Elisabethenvereins sowie Belisa langfristig erforderlich sind.


 

 

Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Gemeinderat diskutiert die Machbarkeitsstudie und nimmt die Lösungsansätze zur Kenntnis.
  2. Die Gemeinde Böbingen verhandelt im 1. Halbjahr 2021 mit dem Betreiber, den Johannitern hinsichtlich der Übernahme des Pflegezentrums. Auch die Erweiterung und ggf. die Modernisierung sollte künftig durch den Betreiber erfolgen.
  3. Die Gemeindeverwaltung erarbeitet gemeinsam mit dem Elisabethenverein und Belisa ein Nutzungskonzept für die Räumlichkeiten aus, die im Gemeindeeigentum verbleiben sollen.